Moldau – Land der Überraschungen Teil 1

Buna ziua, 3дравствуйте und hallo,

obwohl ich schon seit über zwei Monaten in der Republik Moldau lebe, überrascht mich das Land jeden Tag wieder aufs Neue. Das fängt schon damit an, dass jeden Tag eine andere Katze auf der bunt angestrichenen Bank vor meinem Haus sitzt und mich mit großen Augen anstarrt. Auch der Weg zur Uni ist auf gar keinen Fall langweilig: Dort, wo der Weg gestern noch ohne Probleme zu gehen war, findet sich schon heute ein aufgerissener Asphalt, der einen Tag später mit Steinen umlegt wurde und am wiedernächsten Tag mit Erde zugeschüttet wurde.

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Eine erholsame Regelmäßigkeit bietet der morgendliche Kaffee, den ich für 19 Lei an der Straßenecke kaufe. Den Cappucchino zum Mitnehmen bestelle ich mittlerweile nur noch per Kopfnicken, da beide dort Arbeitende mich nun doch kennen. Trotzdem fragen sie mich jedes Mal wieder aufs Neue, ob ich einen Plastikdeckel auf meinen Kaffee haben möchte oder nicht. Habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefrühstückt, kaufe ich mir außerdem eine moldauische Blätterteigtasche, genannt „Placinta“, die es mit Kartoffeln (sehr lecker an diesem bestimmten Laden) oder Quark (nicht so lecker, nur bei Notstand zu empfehlen).

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Auch der Weg zur Universität kann für Überraschung sorgen, etwa, wenn man durch das Tor schreitet und statt einer Menge Studenten plötzlich eine Reihe älterer Herrschaften in Schwarz und Blumen tragend erblickt, die berührt auf einen Sarg starren, der direkt vor dem Brunnen auf dem Universitätsgelände steht. Da mich dieser Anblick zunächst erschreckte, ging ich schnurstracks die Straße weiter, wohlwissend, dass der Unterricht normal stattfinden sollte. Also wieder zurück, durch die Menge der Trauernden, am Sarg vorbei eines ehemaligen Universitätsrektors aus den 1980ern, Richtung Gebäude IV, Facultatea de Litere.

dsc05415aAuf dem Weg in das Gebäude der Fakultät für Sprachen begegne ich dem ein oder anderen Studenten und es ist jeden Tag aufs Neue spannend, ob der Schlüssel für Zimmer 464 bei der Dame am Empfang hängt oder nicht. Auch wir begrüßen uns mittlerweile mit einem Lächeln, eine der Damen fragt gerne nochmal nach, welchen Zimmerschlüssel ich denn benötige. In 5 Prozent der Fälle ist es nämlich nicht „patru-șase-patru“ sondern „patru-șase-cinci“. Sollte der Schlüssel nicht neben den Anderen hängen, bedeutet das für mich nur eins: Suche die wunderbare Reinigungskraft, die irgendwo zwischen Erdgeschoss und dem vierten Stock herumirrt. Nur sie besitzt die magischen Schlüssel aller Türen des Gebäudes.

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Zimmer 464

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Ist der Schlüssel gefunden, hetze ich in den fünften Stock, wo die Studierenden des 4. Studienjahres schon auf mich warten. Für sie ist es das letzte Jahr an der Universität. Sie zählen entweder zur Gruppe der Lehramtsstudenten oder der Übersetzer, beide Gruppen studieren zwei Sprachen. An der Universität gibt es etwa 5000 Studierende, davon rund 60 Germanistikstudenten. Da die Stunden vom Bildungsministerium leider stark gekürzt wurden, haben die Studierenden wenig Zeit für praktisches Deutsch. Dafür gibt es mindestens zweimal pro Woche den Deutschclub, in dem ich versuche, die Studenten zum Sprechen zu bringen. Da sie sehr ausgelastet sind durch ein verschultes System und einen vollen Stundenplan inklusive Hausaufgaben ist das Interesse und die Bereitschaft, nachmittags noch Zeit für den Deutschclub aufzuwenden, leider sehr gering. Diejenigen, die sich jedoch die Zeit nehmen, sind sehr nett und mit ihnen macht es auch sehr viel Spaß.

Der Kockclub - diesmal mit dabei: Weißwürste, guter Hausmacher-Senf und Kartoffelsalat (fast wie bei Mama, aber nur fast)!
Der Kockclub – diesmal mit dabei: Weißwürste, guter Hausmacher-Senf und Kartoffelsalat (fast wie bei Mama, aber nur fast)!

Nach dem Unterricht habe ich meist keine festen Pläne, da diese sowieso zerstört werden, wenn ich eine Kollegin auf dem Flur treffe oder eine andere Person, die mir vorschlägt, Mittagessen zu gehen in einem der fünf Restaurants der Stadt, oder, selten auch in die Mensa. Belz ist im Kern eine kleine Stadt, in deren kleinen Zentrum alles stattfindet, was sehenswert ist. Hier ist das Leben und hier sind die Menschen.

Besondere Vorsicht ist bei Einbruch der Dunkelheit geboten, da die Straße zu mir doch recht schlaglöcheranfällig ist und sich eine Autofahrt bis vor die Haustür keinesfalls lohnt, da der Fußweg schneller ist. Die ruhigen Abendstunden nutze ich meist, um mich neben einer Tasse Tee auf den Unterricht vorzubereiten oder stöbere in meinem Russischbuch, um ein bisschen vor mich hin zu lesen. Kyrillisch muss schließlich auch gelernt sein. Begleitet werde ich dabei entweder vom Klavierspiel des Nachbarn rechts, oder auch dem Fernseher der Nachbarn oberhalb. Die Tage sind meist so voll von Planungen, spontanen Treffen oder auch dem Unterrichten selbst, dass ich froh bin, rechtzeitig ins Bett zu kommen. Ich muss sagen, mittlerweile schläft es sich gut auf dem ausklappbaren, etwas harten Sofa.

Gute Nacht,
Kathi

 

 

 

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